Der original Nahehaus Reiseführer durch die Deutsche Toscana
Teil 2
1.2 Das Nahetal
Die Nahe entspringt bei Selbach im
südlichen Hunsrück und schlängelt sich rund 130 Kilometer an
den südlichen Ausläufern des Hunsrücks entlang, bis sie bei
Bingen in den Rhein mündet. Als unscheinbares Bächlein fließt
sie durch Wälder, Wiesen und kleine Dörfer des Birkenfelder
Landes. Kräftig angeschwollen erreicht sie mit der
Edelsteinstadt Idar-Oberstein ein erstes touristisches Zentrum.
Die Enge des mittleren Nahelaufes endet bei Kirn. Ab Martinstein
begleiten Rebhänge die Ufer. Bei Odernheim am Fuß des
Disibodenberges wird der Fluß vom Wasser des Glan gestärkt. Die
Ufer zeigen sich eine Weile beschaulich, um sich dann zwischen
den Kurorten Bad Münster am Stein-Ebernburg und Bad Kreuznach
ins Dramatische zu steigern. Die Porphyrwand des
Rheingrafensteins und der Rotenfels, die höchste Felswand
Deutschlands nördlich der Alpen fesseln den Blick. Hinter dem
malerischen Radon-Solbad Bad Kreuznach weichen die Felsen zurück
und die Nahe tritt ins Rheintal ein. Das Nahetal ist immer
windungsreich, oft eng und bringt köstliche Weine hervor, aber
eine Miniaturausgabe des Moseltals ist es dennoch nicht. Die
Rebhänge ziehen sich weiter ins Hinterland hinein. Das Tal zeigt
sich weniger abgeschlossen. Es ist mehr mit dem angrenzenden
Hunsrück und auch mit dem Westrich verbunden. Etliche
Uferabschnitte sind naturnah geblieben, ein Glück für seltene
Orchideen und Tiere. Der Fremdenverkehr konzentriert sich in
Idar-Oberstein und in den Kurorten und Winzerdörfern.
1.3 Als an der Nahe noch die Haie schwammen
Es klingt schon sehr abstrakt, daß eine Million Jahre
Erdgeschichte im Nahetal und den umliegenden Landschaften in
vielfältiger Weise vor das Auge des Betrachters treten. Die
Gesteinsformationen bei Wartenstein und Schweppenhausen gehören
zu den ältesten Zeugen erdgeschichtlicher Vergangenheit. Das
Stromberger Kalknest oder die Schieferschichten im Hahnenbachtal
bei Kirn entstanden vor etwa vierhundert bis dreihundert
Millionen Jahren als Überreste eines riesigen Meeres. Zu den
Besonderheiten gehören die zahlreichen Fossilienfunde. Fische
und Pflanzen zwischen Schieferlagen, sogar Saurierspuren in den
Sponheimer Schichten. Das Kreuznacher Schloßparkmuseum zeigt das
authentische Gebiss eines Haies, dessen Revier offensichtlich an
der Nahe war.
Wie eine Reise in die Zeit sind die fossilen Relikte, die
Millionen Jahre Erdgeschichte dokumentieren. Versteinerte Tiere
und Pflanzen zählen zu den einzigartigen Besonderheiten zwischen
Hunsrück und Naheland. Nirgendwo sonst sind Natur und Geschichte
dramatischer. Lust auf Entdeckungen?
1.4 Kelten und Römer
Die Römer bezeugen an der Nahe ihren
Einfluß mit den berühmten Mosaikböden von Bad Kreuznach.
Weniger bekannt und dennoch allgegenwärtig ist die
Hinterlassenschaft der Treverer, der keltischen Ureinwohner des
Landes. Ihre hochstehende Kultur wird leicht vergessen, da sie
vordergründig wenig hinterlassen haben. Sie waren meisterhafte
Küfer. Viele Ortsnamen, darunter Bad Kreuznach (Cruciniacum)
gehen auf sie zurück. In den Wäldern findet man Grabmäler
ihrer Adligen.
1.5 Sagen und Legenden
Gehören Sie auch zu denen, die sich
nächtelang in Sagen und schaudernden Geschichten vertiefen
können? Dann fügen Sie diesen Kapiteln ein weiteres an. Es geht
um ein wahrhaft mystisches Land, von Legenden und Sagen umwoben.
Folgen Sie den Bachläufen rechts und links der Nahe, vorbei an
spröden Felsen, durch dichte Wälder und Gestrüpp. Plötzlich
stehen sie da, manchmal verdeckt, doch immer die Landschaft
beherrschend: geheimnisvolle Burgen, die einst der Stolz der
Ritter waren. Das Naheland ist überreich besetzt mit den
steinernen Zeugen wehr- und streitbarer Edelleute. Hinter dicken
Mauern wähnten sie Schutz gegen machtbesessene Nachbarn und
durchreisende Heere aus Spanien, Schweden oder Frankreich. Die
meisten Burganlagen an der Nahe zeigen sich in ihrer schönsten
Form, als stattliche Ruinen. Sie beflügeln die Fantasie mehr als
manch herausgeputztes Objekt unserer Zeit.
1.6 Die Hunsrück-Schiefer- und
Burgenstraße
Das Gebiet der Hunsrück- Schiefer- und Burgenstraße liegt in
einer in sich geschlossenen Mittelgebirgslandschaft mit
besonderer Eigenart und herber Anziehungskraft. Manche Burgen und
der Schiefer, als Namensgeber der Straße, liegen eher verborgen
als augenfällig. Auch alle anderen Merkmale, die dieses
Feriengebiet vom Mittelhunsrück bis hinunter ins Nahetal so
eigenartig und unverwechselbar erscheinen lassen, drängen sich
nicht auf, sondern wollen entdeckt werden. Auffällig ist nur der
erste und bleibende Eindruck von stiller Unberührtheit,
Beständigkeit und Geborgenheit, der von den großen Wäldern,
den verborgenen Bachauen, den weiten Fluren und den alten
Bauerndörfern ausgeht.
Der 400 Millionen Jahre alte Hunsrückschiefer wird seit dem
frühen Mittelalter im Über- und Untertagebau gewonnen. Viele
längst verlassene und von der Natur wieder
"vereinnahmte" Bergwerke und Schieferhalden künden
davon. Das für die Besichtigung hergerichtete Bergwerk zeigt
nicht nur den historischen Schieferbergbau, sondern auch die
fantastische Vielfalt, Vollkommenheit und Schönheit der im
Schiefer eingeschlossenen fossilen Meerestiere.
Kelten, Römer und Franken und mittelalterliche
Herrschergeschlechter errichteten Wohnanlagen, Burgen und
Schlösser, die von der ereignisreichen und wechselvollen
Geschichte des Hunsrücks und des Nahetales seit weit über 2000
Jahren erzählen. Bürger- und Bauernhäuser, Kirchen mit den
berühmten Stumm-Orgeln, Mühlen und Edelsteinschleiferein lassen
das Leben der Hunsrücker Menschen von den alten bis in unsere
Tage unvergessen bleiben.
Auf jeden, der Entdeckung, Erlebnis, Entspannung und innere
Einkehr sucht, wartet entland der Hunsrück Schiefer- und
Burgenstraße ein Feriengebiet mit vielfältiger Beherbergung und
Gastronomie.
EXPERTEN-TIP (DR. FRITZ SCHELLACK, HISTORIKER UND VOLKSKUNDLER)
Die Schmidtburg war Schauplatz erbitterter Familienstreitigkeiten
zwischen den Kyrburger, Schmidtburger und Dhauner Wildgrafen und
dem Trierer Erzbischof Balduin, ein Bruder Kaiser Heinrichs VII.
Die Dhauner Fehde von 1337-1342 war Höhepunkt der damaligen
Feindseligkeiten und die Schmidtburg Hauptstützpunkt des
kurtrierischen Lagers. In 22 Wochen wurden u. a. 157 Ochsen, 104
Schafe verzehrt und 36 Fuder Wein getrunken. Durch Balduins Sieg
schied die Schmidtburg aus dem wildgräflichen Besitz. 1471 kam
die Burg an Nikolaus Schenk von Schmidtburg. Die Oberburg diente
im 18. Jh. als kurtrierischer Amtssitz und dem Schinderhannes
über mehrere Wochen als Stützpunkt.